„Leon“ ist ein junger brasilianischer Mann, der schon lange mit Depressionen zu kämpfen hat. Er führt einen anonymen Blog auf Portugiesisch, in dem er die Herausforderungen des Lebens mit einer psychischen Erkrankung beschreibt, die laut der Weltgesundheitsorganisation weltweit etwa 300 Millionen Menschen betrifft.
Leon gehört zu den etwa 30 Prozent der Patienten mit therapieresistenter Depression. Verfügbare Antidepressiva wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer lindern weder seine depressive Stimmung, Müdigkeit, Angst, geringes Selbstwertgefühl noch Selbstmordgedanken.
Eine neue Studie könnte Hoffnung für Leon und andere wie ihn bieten.
Unser Team brasilianischer Wissenschaftler hat die erste randomisierte, placebokontrollierte klinische Studie mit Ayahuasca – einem psychedelischen Getränk aus Amazonas-Pflanzen – durchgeführt. Die Ergebnisse, kürzlich in der Zeitschrift Psychological Medicine veröffentlicht, deuten darauf hin, dass Ayahuasca bei schwer behandelbaren Depressionen wirksam sein könnte.
Bewusstseinsverändernde psychedelische Drogen könnten viele Krankheiten behandeln.
Der ‚Geisterwein‘
Ayahuasca, ein Wort aus der indigenen Quechua-Sprache, bedeutet „die Liane der Geister“. Menschen im Amazonasgebiet von Brasilien, Peru, Kolumbien und Ecuador verwenden Ayahuasca seit Jahrhunderten für therapeutische und spirituelle Zwecke.
Die heilenden Eigenschaften dieses Getränks stammen von zwei Pflanzen. Banisteriopsis caapi, eine Liane, die sich bis zu den Baumkronen und entlang der Flussufer des Amazonas windet, wird zusammen mit Psychotria viridis gekocht, einem Strauch, dessen Blätter das psychoaktive Molekül DMT enthalten.
Seit den 1930er Jahren wurden in Brasilien Religionen gegründet, die Ayahuasca als Sakrament verwenden. In den 1980er Jahren hatte sich das Ayahuasca-Ritual auf Städte in ganz Brasilien und der Welt ausgebreitet.
Ayahuasca wurde in Brasilien erstmals 1987 für religiöse Zwecke legalisiert, nachdem die Bundesdrogenbehörde des Landes festgestellt hatte, dass „Mitglieder religiöser Gruppen“ durch die Einnahme „bemerkenswerte“ Vorteile erfahren hatten. Einige Menschen, die Ayahuasca trinken, berichten, dass sie sich im Einklang mit sich selbst, Gott und dem Universum fühlen.
Für unsere Studie, die an der Bundesuniversität von Rio Grande do Norte in Brasilien stattfand, rekrutierten die Forscher 218 Patienten mit Depressionen. Neunundzwanzig von ihnen wurden ausgewählt, weil sie therapieresistente Depressionen hatten und keine Vorgeschichte mit psychotischen Störungen wie Schizophrenie, die durch die Einnahme von Ayahuasca möglicherweise verschlimmert wird.
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Diese 29 Personen wurden zufällig zu einer einzigen Behandlungssitzung zugewiesen, bei der sie entweder Ayahuasca oder ein Placebo-Getränk erhielten. Das Placebo war eine bräunliche Flüssigkeit, bitter und sauer im Geschmack, hergestellt aus Wasser, Hefe, Zitronensäure und Karamellfarbstoff. Zinksulfat ahmte zwei bekannte Nebenwirkungen von Ayahuasca nach: Übelkeit und Erbrechen.
Die Sitzungen fanden in einem Krankenhaus statt, obwohl wir den Raum wie ein ruhiges und komfortables Wohnzimmer gestaltet haben.
Die akuten Effekte von Ayahuasca – die traumähnliche Visionen, Erbrechen und intensive Introspektion umfassen – dauern etwa vier Stunden. Während dieser Zeit hörten die Teilnehmer zwei sorgfältig zusammengestellte Playlists, eine mit instrumentaler Musik und eine andere mit Liedern, die auf Portugiesisch gesungen wurden.
Die Patienten wurden von zwei Teammitgliedern überwacht, die Hilfe anboten für diejenigen, die während dieser intensiven emotionalen und physischen Erfahrung Angst empfanden.
Einen Tag nach der Behandlungssitzung beobachteten wir bei 50 Prozent aller Patienten signifikante Verbesserungen, darunter eine Verringerung der Angst und eine verbesserte Stimmung.
Eine Woche später empfanden 64 Prozent der Patienten, die Ayahuasca erhalten hatten, immer noch, dass ihre Depression abgeklungen war. Nur 27 Prozent derjenigen in der Placebogruppe zeigten solche Effekte.
Auf vorherigen Erkenntnissen aufbauen
Unsere Erkenntnisse stützen eine brasilianische klinische Studie aus dem Jahr 2015, die das Potenzial von Ayahuasca als Antidepressivum untersucht.
Diese Studie, geleitet von Dr. Jaime Hallak von der Universität São Paulo, fand ebenfalls heraus, dass eine einzige Ayahuasca-Sitzung eine schnell einsetzende antidepressive Wirkung hatte. Alle 17 Teilnehmer berichteten, dass die depressiven Symptome in den ersten Stunden nach der Einnahme von Ayahuasca abnahmen. Die Wirkung hielt 21 Tage an.
Diese Studie erhielt bedeutende Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern. Ihre vielversprechenden Schlussfolgerungen waren jedoch durch das Fehlen einer Kontrollgruppe von Patienten, die ein Placebo erhielten, begrenzt.
In klinischen Studien zur Depression können bis zu 45 Prozent der Patienten, die ein Placebo einnehmen, erhebliche Vorteile melden. Der Placebo-Effekt bei Depressionen ist so stark, dass einige Wissenschaftler sich gefragt haben, ob Antidepressiva wirklich wirken.
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Dr. Hallak und andere Forscher der Studie von 2015 an der Universität São Paulo waren Teil unserer Folgeklinischen Studie.
Religion wird Wissenschaft
Diese beiden Studien, obwohl vorläufig, tragen zu einer wachsenden Anzahl von Beweisen bei, dass psychedelische Drogen wie Ayahuasca, LSD und Magic Mushrooms Menschen mit schwer behandelbaren Depressionen helfen können.
Aber weil diese Substanzen in vielen Ländern illegal sind, einschließlich der Vereinigten Staaten, war es schwierig, ihren therapeutischen Wert zu testen. Selbst in Brasilien bleibt die Verwendung von Ayahuasca als Antidepressivum ein Randphänomen und informelle Praxis.
Leon, der brasilianische Blogger, entdeckte das Medikament durch Internetrecherche. „Verzweifelt“ nach Lösungen für seine hartnäckige Krankheit, beschloss Leon, an einer Ayahuasca-Zeremonie in einer Santo Daime-Kirche in Rio de Janeiro teilzunehmen, eine der vielen brasilianischen Religionen, die Ayahuasca als Sakrament verwenden.
Die Kirche führt keine Mitgliederliste, aber União do Vegetal, ein ähnlicher Glaube, hat weltweit etwa 19.000 Mitglieder.
Diese religiösen Organisationen gehören zu vielen Gruppen in Amerika, die indigene Traditionen rund um natürliche Psychedelika annehmen. Sie glauben, dass psychoaktive Pflanzen wie Ayahuasca, Peyote oder Psilocybin die Gedanken der Menschen für metaphysische Bereiche und tiefsinnige Erfahrungen öffnen.
Dieses spirituelle Wissen wird nun in die Sprache der Wissenschaft übersetzt, da Forscher in Brasilien, in den Vereinigten Staaten, in Kanada und darüber hinaus strenge medizinische Bewertungen dieser Substanzen beginnen.
Die heilende Kraft der psychedelischen Erfahrung.
Leons Blog bietet eine ausgezeichnete Beschreibung seiner Ayahuasca-Erfahrung.
Manchmal rief er Visionen hervor – traumähnliche Szenarien, die seltene Einblicke in die Beziehungen in seinem Leben boten. Zu anderen Zeiten erlebte Leon „ein Gefühl von Ekstase und ein tiefes Gefühl einer sich manifestierenden inneren Spiritualität.“
Wir glauben, dass diese Effekte entscheidend dafür sind, warum Ayahuasca funktioniert.
Teilnehmer an unserer Studie antworteten auf die Hallucinogen Rating Scale, die hilft, diese schwer fassbaren Erfahrungen in Zahlen umzuwandeln. Teilnehmer, die Ayahuasca nahmen, erzielten signifikant höhere Punkte auf diesem Fragebogen als diejenigen, die ein Placebo tranken.
Diejenigen, die während ihrer Ayahuasca-Reise die meisten visuellen, auditiven und körperlichen Effekte beschrieben, hatten sieben Tage später die deutlichste Reduzierung der Depression.
Ayahuasca ist kein Allheilmittel. Solche Erfahrungen können für manche Menschen zu körperlich und emotional herausfordernd sein, um sie regelmäßig als Behandlung zu nutzen. Wir haben auch beobachtet, dass regelmäßige Ayahuasca-Nutzer immer noch unter Depressionen leiden.
Aber wie unsere Studie zeigt, hat diese heilige Pflanze aus dem Amazonas das Potenzial, sicher und effektiv eingesetzt zu werden, um selbst die am schwierigsten zu behandelnden Depressionen anzugehen.
